Noch immer tun sich viele Anleger schwer mit der Vorstellung, dass sich die seit über fünf Jahren laufende Aktienhausse auch in den kommenden Jahren fortsetzen könnte. Kein Wunder, denn viele haben die nahezu zwanzig Jahre anhaltende Hausse, die 1982 begann und zum Jahrtausendwechsel mit dem Platzen der Internetblase ihr jähes Ende fand, nicht miterlebt. Man ist geprägt von Krisen, die kein Ende nehmen wollen und für ein ständiges Auf und Ab an den Börsen sorgen. Man will nicht wieder auf dem falschen Fuß erwischt werden wie 2000 bzw. 2007, als man dem Irrglauben verfiel, der Aktienmarkt sei noch längst nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. „Dieses Mal werde ich nicht erneut auf dem Hoch einsteigen“, sagen sich viele und zeigen den Aktienmärkten die kalte Schulter.
Stimmungstechnisch ist dies sicherlich kein schlechtes Zeichen, zeigt es doch, dass bislang keine Euphorie vorherrscht und diese am meisten gehasste Hausse durchaus noch das Potential für eine jahrelange Fortsetzung haben könnte, temporäre Korrekturen, die durchaus heftig ausfallen können, mit eingeschlossen. Viele Anleger haben den Aufschwung der letzten fünf Jahre verpasst und haben ihr Geld auf kurzfristigen Anlagen geparkt, stets in der Hoffnung, nochmals günstiger in den Aktienmarkt einsteigen zu können. Doch richtiges Timing ist nicht nur eine der schwierigsten Übungen an der Börse, sondern streng genommen unmöglich. Dennoch versuchen es Anleger immer wieder, anstatt für sich eine Vermögensallokation umzusetzen, die der eigenen kurz-, mittel- und langfristigen Lebensplanungen gerecht wird. Vielleicht sollte man sich einmal ein Beispiel an institutionellen Investoren nehmen, die einen langfristigen um nicht zu sagen einen sehr langfristigen Anlagehorizont haben.
Zum Beispiel Norwegens Pensionsfonds. Dieser gab soeben bekannt, dass man Anleihen reduziert habe und dafür neben Immobilien auch größere Unternehmensbeteiligungen erwerben wolle. Dazu muss man wissen, dass der 640 Mrd. Euro schwere Staatsfonds zu den weltweit größten Einzelinvestoren gehört. Das verwaltete Vermögen stammt aus Verkaufserlösen aus der Öl- und Gasförderung und soll langfristig der Altersversorgung der norwegischen Bevölkerung dienen. Hier sind demnach Langfristinvestoren am Werk und keine Zocker, zumal die strategischen Eckpunkte des Managements vom Parlament in Oslo abgesegnet werden müssen. Vor allem deutsche Aktienmuffel sollten sich von Norwegens Strategen eine Scheibe abschneiden.
Wer Vermögen auf realer Basis erhalten und zudem sinnvoll vermehren will, muss auch bereit sein, Risiken einzugehen. Das wird natürlich nur dann zum Erfolg führen, wenn man auf lange Sicht investiert, d.h. einen Anlagehorizont von beispielsweise 10 Jahren und mehr verfolgt. Dann nämlich lasse sich temporäre Aktienmarktkorrekturen aussitzen oder noch besser, zu Käufen nutzen. Übrigens: der norwegische Pensionsfonds hält aktuell rund 60 % in Aktien, die breit gestreut über den gesamten Globus verteilt investiert sind. Die aktuell noch rund 40 % betragende Anleihequote soll zu Gunsten von Immobilien und Unternehmensbeteiligungen halbiert werden. Finanzielle Repression lässt grüßen!
Diese Entwicklung stellt übrigens bei weitem kein Einzelfall dar. Auch in anderen Ländern investieren staatliche Institutionen verstärkt in Aktien und gehen damit bewusst stärker ins Risiko! Bereits rund ein Viertel des gesamten weltweiten Anlagevermögens verwalten staatliche Entscheider, die bekanntlich zurückhaltend und strategisch investieren. Größter staatlicher Investor ist Chinas Zentralbank, die zudem auch der größte staatliche Aktieninvestor ist. Neben der Schweizer Nationalbank, die eigenen Angaben zufolge bereits rund 15 Prozent ihres ausländischen Vermögens in Aktien hält, setzen beispielsweise auch die Notenbanken Italiens und Dänemarks verstärkt auf Aktien. Demnach sind es immer weniger
Hedgefonds bzw. namhafte Investmentbanken, welche durch ihr mitunter sehr taktisch geprägtes Anlageverhalten bekannt sind, die die Entwicklungen an den Finanzmärkten bestimmen, sondern langfristig orientierte staatliche Investoren. Deren Aktienhunger scheint derzeit ungebrochen, was allem Anschein nach auf der Einschätzung basiert, dass die Weltwirtschaft weiter wachsen werde und damit die solide Grundlage für weiter steigende Unternehmensgewinne und demzufolge auch steigende Aktienkurse darstellt. Sicherlich warten diese Investoren auf Rücksetzer an den Aktienmärkten, damit sie ihre Aktienquoten erhöhen können. Dieses Verhalten begrenzt nicht nur Rücksetzer, sondern die erworbenen Aktien verschwinden dann in aller Regel für längere Zeit in den Depots, ganz nach dem Motto: gute Qualität einkaufen und liegen lassen! Was lernen wir daraus? Aktien bzw. Aktienfonds gehören in jedes Depot, mit dem eine langfristige Anlagestrategie verfolgt wird. Taktische Überlegungen sollten – wenn überhaupt – in begrenztem Umfang und möglichst antizyklisch erfolgen.
Viel Erfolg!
wünscht Ihnen
Ihr Wolfgang Ruch
Mit freundlicher Genehmigung der Greiff capital management AG