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Marktkommentar – Bundestagswahl 2017: Deutschland hat gewählt

Ein als langweilig abgestempelter Bundestagswahlkampf endete für die etablierten Parteien mit einem Paukenschlag. Zwar wurde Angela Merkel für eine vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin bestätigt, mit 33% der Stimmen erzielte die CDU/CSU aber das schlechteste Wahlergebnis seit 1949. Auch die SPD erlitt herbe Verluste und musste mit ihrem Ergebnis von etwas über 20% ihre größte Wahlniederlage seit Gründung der Bundesrepublik hinnehmen. Neben CDU und SPD gelang vier weiteren Parteien der Einzug ins Parlament: Die AfD (12,6%) wurde drittstärkste Kraft, gefolgt von der FDP (10,7%), der Linkspartei (9,2%) und den Grünen (8,9%). Aufgrund des schlechten Abschneidens schloss die Führung der SPD bereits am Wahlabend eine Neuauflage der „Großen Koalition“ aus.

Nach der Absage der SPD scheint ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen – eine sogenannte „Jamaika-Koalition“ – die aus heutiger Sicht wahrscheinlichste Regierungsoption zu sein. Schon vor der Wahl haben alle etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen.
Damit stellt sich die Frage, ob ein mögliches Dreierbündnis aus Union, FDP und Grünen auch eine realistische Option darstellt und ob ein solches Bündnis auf Bundesebene gelingen kann. Nachfolgend wollen wir die zu überwindenden Hürden für eine Schwarz-Gelb-Grüne „Jamaika-Koalition“ skizzieren und eine Einschätzung zu den möglichen Auswirkungen des Wahlausgangs auf die Börsen und aus Anlegersicht geben.

Wie realistisch ist Jamaika?
Auf den ersten Blick erscheint ein Jamaika-Bündnis aufgrund deutlicher zwischenparteilicher Differenzen kaum vorstellbar. Analysiert man jedoch nüchtern die verschiedenen Parteiprogramme, wird deutlich, dass die Verhandlungen für eine solche Koalition trotzdem gelingen könnten. Inhaltlich gäbe es für CDU/CSU, FDP und Grüne jedoch einige Hürden zu überwinden.
Die Grünen befürworten einen starken Staat, sie werben für eine Garantierente, sind mit Steuerversprechen zurückhaltend und treten ein für strikte Vorgaben zum Erhalt von Umwelt und Natur. Die FDP steht dagegen für einen schlanken Staat, sie fordert stärkere Entlastungen für die Bürger, steht zunehmenden Regulierungen grundsätzlich kritisch gegenüber und appelliert für mehr Flexibilität im Rentensystem. Die Union aus CDU/CSU bewegt sich mit ihren Positionen zumeist in der Mitte.
Von zentraler Bedeutung dürfte in der kommenden Legislaturperiode aus unserer Sicht die Steuerpolitik der neuen Bundesregierung sein. Hier sehen wir trotz aller Unterschiede gute Chancen für einen Kompromiss, da das Thema Steuern in diesem Wahlkampf nicht zu ideologischen Grundsatzdiskussionen geführt hat. Auf eine Entlastung von mittleren und niedrigen Einkommen wird man sich schnell verständigen können. Strittige Themen wie das Ehegattensplitting oder die Erbschaftssteuer würden in einem Koalitionsvertrag vermutlich ausgeklammert werden.
Bei aller Unterschiedlichkeit dürfen jedoch auch die gemeinsamen Positionen der drei Parteien nicht übersehen werden. Grundsätzlich stehen die möglichen künftigen Koalitionspartner zu einem geeinten Europa mit einer stärker abgestimmten Außen- und Sicherheits- sowie – allerdings nur teilweise – europäischen Wirtschaftspolitik. Auch der Euro wird nicht infrage gestellt, wenngleich die FDP auf ein stärkeres Einfordern von Reformen und Sparanstrengungen der Peripherie-Staaten pocht. Von den Grünen kann hingegen eher ein Entgegenkommen für kriselnde Euro-Staaten erwartet werden.
Was bedeutet all das für die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen? Wir gehen davon aus, dass sich die Parteien trotz unterschiedlicher Positionen und möglicher Risiken auf ein Schwarz-Gelb-Grünes Regierungsbündnis einigen werden, wenngleich die Sondierungsgespräche viel Zeit in Anspruch nehmen dürften. Auch 2013 hatte es bis Dezember gedauert, bis ein Koalitionsvertrag verabschiedet und Angela Merkel vom Bundestag zur Kanzlerin gewählt werden konnte. Schneller wird es wohl auch diesmal nicht gehen.

Auswirkungen auf die Finanzmärkte
Die Finanzmärkte haben bisher eher gelassen auf den Wahlausgang in Deutschland reagiert. Sowohl Aktien- als auch Anleihemärkte zeigen sich kaum verändert. Die Börse hatte eine vierte Amtszeit Merkels längst eingepreist, die Investoren sehen in ihr den Stabilitätsanker in Europa. Durch den Wahlsieg von CDU/CSU ist zudem keine deutliche Kehrtwende in der bundesdeutschen Politik zu befürchten. Aus Sicht eines Anlegers mit langfristigem Anlagehorizont und breiter Streuung der Anlageklassen ergeben sich daher keine Handlungsnotwendigkeiten. Rückblickend haben Bundestagswahlen ohnehin nur selten größere Marktbewegungen ausgelöst. Wichtigere Treiber der Börsen dürften in den kommenden Monaten geopolitische Themen, die Geldpolitik der großen Notenbanken sowie die weitere konjunkturelle Entwicklung sein.

Quelle: Walser Privatbank (mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung)

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Ihr
Wolfgang Ruch

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