Eine meiner Hauptaufgaben und Kernkompetenzen ist die Begleitung meiner Kunden bei Schadensfällen. Das unterscheidet meine Tätigkeit von der eines Onlinevermittlers, bei denen im Schadensfall die Kontakt-Nr. der Schadenabteilung der Versicherung weitergegeben wird…
Von den vielen Schadensfällen, die über meinen Tisch gehen, gibt es einige wenige, die einem auch noch nach Jahren im Gedächtnis bleiben. Manchmal liegt es an der Schadenshöhe und den Umständen, manchmal aber auch an der Außergewöhnlichkeit, wie in diesem Fall aus dem Jahr 2016, von dem ich gerne einmal berichten möchte:
Kunden von mir sind auf Urlaubsreise durch das südliche Afrika gereist. Südafrika, Botswana, Namibia. Mit dem Landrover ging es von Unterkunft zu Unterkunft und zwischendurch wurde die Landschaft und die Tierwelt bewundert. Ein Traumurlaub, wie sie mir berichtet haben. In einer Unterkunft in Botswana ist es jedoch zu einem sehr unschönen Zwischenfall gekommen. Da sämtliche technischen Geräte (digitale Kamera, Handy, Tablet etc.) den ganzen Tag über benutzt wurden, mußten diese natürlich für den nächsten Tag geladen werden. In der Unterkunft – ein Safarizelt – gab es nur eine Steckdosenleiste neben der Tür, in der natürlich alle Geräte geladen wurden.
Nach dem Abendessen stellten meine Kunden dann fest, dass mit einem Messer die Zeltwand aufgeschnitten und sämtliche Geräte gestohlen wurden…
Materieller Schaden ca. 1.600,- Euro – Imaterieller Schaden eigentlich unbezahlbar, da viele Fotos eben weg sind.
Nach kurzem direkten Telefonat mit mir, noch am späten Abend, wurde alles vor Ort in die Wege geleitet – Schadenliste erstellt und Anzeige bei der Polizei erstattet.
Das läuft dann dort auch etwas anders ab, als bei uns… Dort wird noch alles schön von Hand geschrieben und am Ende muss man auf Gott schwören, die Wahrheit gesagt zu haben…
Nach der Rückkehr habe ich dann für den Kunden den Schaden bei der Hausratversicherung eingereicht und um Erstattung der 1.600,- Euro gebeten. Im Rahmen der Außenversicherung ist der Einbruchdiebstahl auch versichert, wenn man sich vorübergehend an einem anderen Ort innerhalb eines Gebäudes befindet.
Wie häufig, wollen die Versicherer nicht gleich das Scheckbuch zücken und bezahlen und zieren sich noch ein wenig.
Das große Problem in diesem Fall ist die Frage, ob es sich bei der Unterkunft um ein Gebäude gehandelt hat oder nicht. Leider gibt es zu dieser Frage keine aktuelle Rechtsprechung. Wie meine Kunden wissen, gebe ich nicht so schnell auf und kämpfe… Nach längerer Recherche habe ich ein altes Urteil vom Reichsgerichtshof in einem Strafrechtskommentar gefunden, dass dieses Zelt als Gebäude anzusehen und damit der Einbruchdiebstahl versichert ist.
Hier ein Auszug aus meinem Schriftwechsel zu der Schadenreguielierung und Begründung, warum die Versicherung den Schaden übernehmen muss…
Ich habe mich inzwischen noch einmal intensiv rechtlich mit dieser Thematik beschäftigt und möchte Ihnen gerne meine Gedankengänge zu der Begründung, warum es sich bei dieser Unterkunft, die wir als Zelt bezeichnet haben, um ein Gebäude im Sinne der Hausratversicherungsbedingungen handelt.
a) Gemäß Definition im Handbuch Versicherungsrecht van Bühren Seite 491 wird der Raum eines Gebäudes wie folgt definiert:
Der Versicherungsfall in der Einbruchdiebstahlversicherung setzt voraus, dass die Tatbegehung in einem Raum eines Gebäudes erfolgt. Die Rede ist insoweit von der „Gebäudegebundenheit“ der Einbruchdiebstahlversicherung. Ein Gebäude ist ein Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet, räumlich umfriedet ist und dadurch gegen äußere Einflüsse bis zu einem gewissen Grad Schutz bietet.
Wie bereits ausgeführt (siehe Feuerversicherung § 5 Rn 117 und Wohngebäudeversicherung § 4 Rn 109), liegt dem Sachversicherungsrecht kein einheitlicher Gebäudebegriff zugrunde. Die vorgenannte Definition beansprucht deshalb nur für den Bereich der Einbruchdiebstahlversicherung Geltung. Die Einbruchdiebstahlversicherung verfolgt den Zweck, Versicherungsschutz für die Wegnahme versicherte Sachen durch Dritte zu bieten. Hierfür bedarf es zwingend einer Einfriedung des Gebäudes, die einen Schutz gegen äußere Einflüsse bietet. Dieses Kriterium ist für den Gebäudebegriff in der Feuerversicherung und in der Gebäudeversicherung hingegen nicht erforderlich. Auf dieser Grundlage gelangte beispielsweise das OLG Saarbrücken zu dem Ergebnis, dass auch ein begehbarer und mehrere Tonnen wiegender, rundum aus massiven Wänden und einem durch eine Platte gebildeten Dach bestehender Stahlcontainer ein Gebäude im Sinne der AERB darstellt.Keine Gebäude im Sinne der Einbruchdiebstahlversicherung sind deshalb beispielsweise:
– Wohnwagen und
– Kraftfahrzeuge, von denen die Räder abmontiert wurden, auch wenn sie als Unterkunft genutzt wurden.b) Im VVG Kommentar Prölss/Martin wird zu den VHB der Begriff Gebäude wie folgt definiert:
Zu den Alternativen des Einbruchdiebstahls: Nr. 1 a: Gebäude sind Bauwerke, die den Eintritt von Menschen gestatten, räumlich umfriedet sind und gegen äußere Einwirkungen einen gewissen Schutz bieten (Parkhaus, Garagen). Sie brauchen mit dem Boden nicht fest verbunden zu sein (Container). Bau- und Wohnwagen sind als bewegliche Sachen keine Gebäude.
c) Leider habe ich keine aktuelle Rechtssprechung zu dem Thema ob ein Zelt ein Gebäude sein kann gefunden, sondern kann lediglich auf ein Urteil des Reichsgerichts aus dem Kommentar zum Strafgesetzbuch (Tröndle) verweisen:
Der Einbruchdiebstahl ist der Diebstahl unter Verletzung des Schutzbereichs eines umschlossenen Raumes. A. GrSenBGH 1, definiert den umschlossenen Raum als jedes Raumgebilde, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden, und das mit mindestens teilweise künstlichen Vorrichtungen zur Abwehr des Eindringens Unbefugter umgeben ist.. Hiernach fallen sowohl Teile eines Gebäudes wie Zimmer, geschlossene Keller oder Bodenräume darunter als auch bewegliche Raumgebilde wie Schiffe, Eisenbahnwagen, Wohnwagen, Bürowagen und vor allem Autos; auch noch ein Schaufenster oder eine Ausstellungsvitrine, die von Menschen betreten werden können (26. 9. 1961, 1 StR 335/61). Als bloß illustrierende Beispiele nennt das Gesetz Gebäude, dh ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest – wenn auch nur durch die eigene Schwere (Zirkuszelt RG 10, 103) – verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet und das Unbefugte abhalten soll (GrSenBGH 1, 163 anders bei §§ 305, §§§; BHG 6, 107).
Ergebnis: Bei diesem Zelt, welches durch Foto nachgewiesen einen festen Holzboden, eine Holztürzarge mit Holztür hat, handelt es sich um ein Gebäude im Sinne der Versicherungsbedingungen. In keinem Bedingungswerk oder Urteil wird je über die Dicke einer Wand eines Gebäudes gesprochen.
d) Zu dem Problem, dass in der Anzeige bei der Polizei in Botswana nicht das Wort: „Einbruchdiebstahl“ sondern nur „entwendet“ steht, ist auf die sprachlichen Schwierigkeiten vor Ort zurückzuführen. Die Zivilprozessordnung (ZPO) regelt für das Zivilverfahren, wie und womit ein Beweis geführt werden kann. Dies können sein:
1. Augenschein, § 371 ZPO
2. Zeugenbeweis § 373 ZPO
3. Sachverständigengutachten §§ 402, 411 ZPO
4. Urkundenbeweis § 415 ZPO
5. Parteivernehmung § 445 ZPOOhne Probleme können wir mehrere Zeugenbeweise für einen Einbruchdiebstahl als eidesstattliche Versicherung beibringen. Wenn dies nötig ist, bitte ich um einen Hinweis.
Im Ergebnis hat der Versicherer den Schaden vollständig übernommen.
Kunden glücklich und ich ein wenig stolz….
Ihr
Wolfgang Ruch