Ruch Finanzberatung

Gesellschaft für private Finanzplanung

Ist „Unfall“ wirklich „Unfall“? – Basiswissen zur Unfallversicherung

„Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben“, lautet ein Zitat von Goethe. Im Hinblick auf die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes wird einmal mehr verdeutlicht, wie vergänglich ein Leben ist.

Demnach registrierte die Polizei im vergangenen Jahr etwa zweieinhalb Millionen Verkehrsunfälle mehr als noch im Jahr zuvor. Müdigkeit, technische Mängel, Witterungseinflüsse, Fehlverhalten der Fahrer… Die Gründe für Verkehrsunfälle sind genau so unterschiedlich wie ihre Ausgänge. Demnach sei auch die Zahl der Unfalltoten um 84 Personen gestiegen. 84 Personen zu viel – dennoch zeigt die aktuelle Statistik, dass sich lediglich knapp 5 % aller Unfälle im Straßenverkehr ereignen. Der mit Abstand größte Teil aller Unfälle – fast 70 % – fallen in den Bereich „Haushalt und Freizeit“.

Aus diesen Zahlen lässt sich klar erkennen, wie wichtig eine entsprechende private Unfallversicherung ist. In diesem Punkt liegt bei vielen das Problem:

„Wiese sollte ich zusätzlich eine Unfallversicherung abschließen? Schließlich gibt es doch schon die gesetzliche!“

Der größte Unterschied zwischen den beiden Versicherungen besteht darin, dass die gesetzliche Unfallversicherung als Teil der Sozialversicherung ausschließlich Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle abdeckt, bzw. Unfälle, die sich auf dem direkten Arbeits-/Heimweg ereignen. Ebenfalls versichert sind Schüler und Studenten in oder auf dem direkten Weg zur Schule oder Universität sowie Arbeitssuchende, auf dem Weg zum Jobcenter. Ziel der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, dem Versicherungsnehmer die schnellstmögliche Genesung und Wiederaufnahme seiner Arbeitstätigkeit zu ermöglichen. Dies wird u. a. unterstützt durch spezielle BG-Kliniken. Hauptaufgabe der BG-Kliniken ist die Behandlung und Wiederherstellung von schwer verletzten Unfallopfern und Menschen mit Berufskrankheiten. Sie begleiten ihre Patienten über die Entlassung hinaus zur Reha bis zur Rückkehr in Berufs- und Privatleben nach dem Motto „Reha vor Rente“.

Wo liegen die Unterschiede zur privaten Unfallversicherung?

Im Gegensatz zur gesetzlichen Unfallversicherung sind primär die finanziellen Folgen durch einen Unfall versichert.

Die Unfallversicherung mindert die finanziellen Folgen aus einem derartigen Ereignis. Deckung besteht dabei in der Regel 24 Stunden täglich bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens; auch während der Arbeitszeit.

Hier zur Verdeutlichung ein Beispiel aus dem Alltag: Herr S. verlor bei einem schweren Autounfall beide Beine. Da er künftig auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sind Umbaumaßnahmen in und am Haus der Familie dringend erforderlich. Für die Anbringung einer Rollstuhlrampe, die Verbreiterung von Türzargen und die Installation eines Treppenlifts werden 40.000 Euro veranschlagt. Für die Anschaffung eines Pkw, der einen auf seine Behinderung abgestimmten Umbau genoss, müssen nochmals 35.000 Euro eingeplant werden. Da die Familie eine Unfallversicherung abgeschlossen hatte, werden die privaten Ersparnisse verschont und Herrn S. wird trotz des herben Schicksalsschlags ein Stück Lebensqualität zurückgeschenkt. Ohne private Unfallversicherung wäre Familie S. auf sich allein gestellt bzw. auf die notwendigste Unterstützung seitens der Krankenversicherung angewiesen.

Welche Leistungen sind absicherbar?
Das Kernstück einer jeden Unfallversicherung bildet die Invaliditätsleistung. Nach den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen besteht Invalidität, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit nach einem Unfall dauerhaft beeinträchtigt ist. Bemessungsgrundlage ist die sogenannte Gliedertaxe. Sie legt fest, wie viel jeder Körperteil bei Verlust oder völliger Funktionseinschränkung wert ist (soweit Gliedmaßen und Sinnesorgane betroffen sind!). Der GDV gibt an seine Mitglieder eine Empfehlung für die Gliedertaxe heraus. Diese können die einzelnen Unfallversicherer übernehmen oder anpassen. So besteht beispielsweise für spezielle Berufsgruppen (z. B. für Heilberufe oder für Musiker) die Möglichkeit, Tarife mit speziell auf diese abgestimmten Gliedertaxen zu wählen. Kann die Gliedertaxe nicht angewendet werden, wird nach ärztlichem Ermessen verfahren, z. B. bei inneren Verletzungen.

Wenn in die private Unfallversicherung eine Todesfallleistung integriert wurde und die versicherte Person durch einen Unfall (innerhalb eines Jahres!) verstirbt, wird die vereinbarte Todesfallsumme ausbezahlt. Damit lassen sich beispielsweise die Kosten für die Beerdigung abdecken oder schütz die Hinterbliebenen vor unerwarteten finanziellen Belastungen.

Auch verschiedene Tagegelder lassen sich einschließen. Das Krankenhaustagegeld/Genesungsgeld erhält der Versicherungsnehmer für jeden Tag eines unfallbedingt nötigen Krankenhausaufenthalts. Nach der Entlassung erhält er für die gleiche Anzahl an Tagen das Genesungsgeld.

Kommt es nach einem Unfall zu einer Krankschreibung, die länger als sechs Wochen andauert, zahlt die Krankenkasse ein niedriges Krankengeld. Dies reicht oft nicht aus, um sich finanziell über Wasser halten zu können. Diesen Umstand kann der Versicherungsnehmer mit einem Unfall-Krankentagegeld auf das Niveau seines gewohnten Einkommens aufstocken.

Je nach Versicherer sind natürlich weitere Zusatzleistungen möglich.

Unfall ≠ Unfall

Wie der Begriff „Unfall“ definiert ist, wissen Sie bereits. Nun gibt es Umstände, in denen ein Unfall nicht der Definition entspricht. Muss das gleich zu einem Ausschluss führen? Wir möchten Ihnen anhand von zwei Fallbeispielen zeigen, welche Lösungen wir Ihnen anbieten können.

Beispiel A: „Zeckenbiss“
Herr W. hält sich in seiner Freizeit gern in der Natur auf. Wandern und Radfahren zählen zu seinen bevorzugten Aktivitäten im Sommer. Nach einem Ausflug bemerkt er eine vollgesogene Zecke an seiner Wade. Als erfahrener Naturliebhaber entfernt er diese professionell mit einer Zeckenkarte. Zwei Jahr später kommt es nach Wochen anhaltender Kopf- und Gliederschmerzen zu Lähmungserscheinungen in seinem Bein. Ein Arzt diagnostiziert Borreliose. Zwar schloss Herr W. in der Vergangenheit eine private Unfallversicherung ab, doch diese weigert sich nun, die errechnete Invaliditätssumme zu zahlen. -> Begründung: Der Zeckenbiss (= das Unfallereignis), welcher die gesundheitliche Schädigung (Infektion) verursachte, liegt zu weit in der Vergangenheit. Grundsätzlich sind Unfallereignisse zeitnah beim Unfallversicherer anzuzeigen. Je nach Versicherungstarif variiert diese Frist extrem. Es gibt aber auch Versicherer, die verfahren anders. Bei diesen stellt nicht der Zeckenbiss, sondern der Ausbruch der Krankheit das Unfallereignis dar!

Beispiel B: „Herzinfarkt“
Frau L. ist 59 Jahre alt und seit kurzem verwitwet. Nach dem Tod ihres Mannes will sie in eine kleinere Wohnung umziehen. Unerwartet kündigen sich für den nächsten Tag Kaufinteressenten für ihr Haus an. Trotz des zunehmend beklemmenden Gefühls im Brustbereich und starker Schmerzen im linken Arm, beschließt sie, Reinigungsarbeiten am Fenster aufzunehmen. Als sie das Bewusstsein verliert, stürzt sie von der Leiter und zieht sich eine Halswirbelfraktur zu. Da Frau L. zum Unfallzeitpunkt allein im Haus ist, dauert es mehrere Stunden, bis sie von ihrer Nachbarin gefunden wird. Trotz der sofortigen Behandlung und gleich angeordneter Operation bleibt Frau L. aufgrund des Ausmaßes der Verletzung halbseitig gelähmt.
-> Gewöhnlich besteht bei Geistes- und Bewusstseinsstörungen, welche letztendlich das Eintreten des Infarktes darstellen, kein Versicherungsschutz. Sofern die Unfallursachen auf Herzinfarkte, Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfällen zurückführbar sind, muss die Versicherung in der Regel nicht zahlen. Es gibt aber auch Versicherungen, die  erkennt Schlaganfälle sowie Herzinfarkte als auslösenden Unfallfaktor konkret an.

Wie sich an den beiden Beispielen zeigt, können die alltäglichsten Situationen gravierende Unfälle auslösen, die immense persönliche, soziale und finanzielle Folgen mit sich ziehen. Wichtig ist auf jeden Fall eine Absicherung in Form einer Unfallversicherung. besser, wenn man nicht auf das billigste Produkt zugreift, sondern ein leistungsstarkes Bedingungswerk vereinbart. Billig kann manchmal ganz schön teuer werden!!!

Sie haben Fragen zu diesem Thema?
Einfach anrufen oder eine E-Mail schreiben.

Ihr
Wolfgang Ruch

Kommentare sind geschlossen.