Viele Anleger vertrauen auf ETFs, um ihr Geld breit zu streuen und Risiken zu reduzieren. Doch wer genau hinschaut, erkennt schnell: Die versprochene Streuung ist oft weniger ausgewogen, als sie scheint.
Ob bei Aktien-ETFs oder Anleihe-ETFs – die Zusammensetzung folgt meist einer simplen Regel: Je größer oder verschuldeter ein Unternehmen oder Staat, desto höher das Gewicht im Index.
So dominieren im Aktienbereich nur wenige Technologiekonzerne – allen voran Apple, Microsoft, Nvidia, Amazon und Alphabet – große Teile des MSCI World. Ähnlich sieht es bei Staatsanleihen-ETFs aus: Hier profitieren vor allem Länder mit den größten Schuldenbergen. Was eigentlich Sicherheit bringen soll, kann so schnell zum Klumpenrisiko werden.
Frankreich als Beispiel – politische Krise lässt Kurse wackeln
Wie stark sich dieses Risiko auswirken kann, zeigte sich im Oktober 2025:
Als Frankreichs Premierminister Sébastian Lecornu am 7. Oktober überraschend seinen Rücktritt erklärte, reagierten die Anleihemärkte schockartig. Die Rendite zehnjähriger französischer Staatsanleihen sprang auf 3,59 % – ein klares Signal für gestiegene Risikoaufschläge.
Die Kurse fielen entsprechend, und weil Frankreich in vielen Anleihe-ETFs das größte Gewicht hat (rund 24 %, noch vor Italien und Deutschland), rutschten auch die Fonds spürbar ab.
Nur wenige Tage später – nachdem Präsident Macron Lecornu erneut ins Amt berief – beruhigte sich der Markt wieder. Doch das Ereignis machte deutlich, wie politische Turbulenzen eines einzigen Landes erhebliche Auswirkungen auf scheinbar „breit gestreute“ ETFs haben können.
Warum Schulden das Risiko erhöhen
Das Kernproblem liegt in der Indexmethodik:
Die meisten Anleiheindizes – etwa von Bloomberg oder ICE – gewichten nach dem Marktwert aller ausstehenden Anleihen.
Das bedeutet:
- Je mehr Anleihen ein Staat emittiert hat, desto größer ist sein Anteil im Index.
- Bonität oder Wirtschaftskraft spielen dabei keine Rolle.
Dadurch entsteht ein paradoxes Ergebnis:
Gerade Länder mit hohen Schulden – wie Italien oder Frankreich – nehmen in Anleihe-ETFs den größten Platz ein.
Wer also auf „breite Diversifikation“ setzt, konzentriert unbewusst sein Kapital auf die größten Schuldner der Eurozone.
Wie Anleger sinnvoll gegensteuern können
ETFs bleiben ein wertvolles Anlageinstrument – doch sie sind kein Selbstläufer. Wer die Zusammensetzung seines Depots kennt, kann bewusster steuern, statt sich blind auf Indexmethoden zu verlassen.
Eine besonders interessante Alternative bieten aktiv gemanagte Rentenfonds.
Im Gegensatz zu ETFs, die starr einem Index folgen, können erfahrene Fondsmanager flexibel auf Marktveränderungen reagieren – und gerade in Krisenzeiten gezielt Länder, Laufzeiten oder Bonitäten anpassen.
Aktive Fondsmanager können zum Beispiel:
- die Gewichtung einzelner Staaten aktiv begrenzen,
- bei steigenden Zinsen gezielt in kürzere Laufzeiten umschichten,
- oder Anleihen mit schwacher Bonität meiden, sobald sich Risiken abzeichnen.
Damit lassen sich Klumpenrisiken bewusst steuern statt passiv hinnehmen. Zwar sind aktive Fonds meist etwas teurer als ETFs, doch sie bieten die Chance, Verluste in turbulenten Phasen zu begrenzen – und genau das ist langfristig entscheidend.
ETFs sind kein Allheilmittel. Wer sein Geld wirklich breit anlegen möchte, sollte die Mechanismen hinter den Indizes verstehen und gezielt ergänzen – sei es mit aktiv gemanagten Fonds oder einer individuellen Länderaufteilung.
Denn echte Diversifikation bedeutet nicht, möglichst viele Wertpapiere zu besitzen, sondern bewusst unterschiedliche Risiken zu kombinieren.
Gerade bei Anleihen zeigt sich:
Manchmal ist aktives Denken die beste Form passiven Investierens.
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Ihr
Wolfgang Ruch