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Immobiliendarlehen – falsche Widerrufsbelehrung – und dann?

1629-paris-tour-montparnasseJura ist in manchen Fällen gar nicht so einfach. Meistens trifft es den kleinen Bürger, der die Wortwahl der Gesetze nicht versteht und sich später vor Gericht wundert, während die großen Gesellschaften ein ganzes Heer an Rechtsanwälten beschäftigt und viele Verfahren daher gewinnen.

Manchmal stellen sich aber auch große Unternehmen, wie Banken etwas blöde an… Der Gesetzgeber hat ganz klar festgeschrieben, wie eine Widerrufsbelehrung zu einem Immobiliendarlehen auszusehen hat (§355 BGB). Die Banken hätten einfach diesen Gesetzestext nehmen können und in die Darlehensverträge abschreiben. Warum auch immer, haben eine Vielzahl von Banken, diesen vom Gesetzgeber vorgegebenen Text jedoch kreativ abgeändert. Kürzlich hat das höchste Deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof (BGH), entschieden, dass bestimmte Änderungen nicht mehr gesetzeskonform sind und damit der Kunde nicht mehr ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Die Folge dieses Urteils ist, dass ein Kunde noch nach Jahren seinen Kreditvertrag widerrufen kann. Da die Zinsen in den letzten Jahren ausnahmslos gesunken sind, kann man sich so sehr elegant von (aus heutiger Sicht) teuren Krediten befreien.

Soweit die Theorie und wie sieht die Praxis aus?

Die Banken finden das natürlich gar nicht lustig. Schließlich haben sie das an die Kunden vergebene Geld sich selber langfristig am Markt geliehen und müssen auch den damals vereinbarten Zins bezahlen.

Solange nur vereinzelte Kunden von dem „verlängerten“ Widerspruchsrecht gebrauch machen, ist das für die Banken kein Problem. In den letzten Wochen haben sich aber eine Fülle von Rechtsanwaltskanzleien auf dieses Thema gestürzt und durch entsprechende Pressearbeit kommt dieses Thema in die Öffentlichkeit und verschiedene Kunden fragen bei mir zu diesem Thema an.

Leider wird von den Anwälten nur die halbe Wahrheit und die entsprechenden Folgen dargestellt. Wenn das alte Darlehen widerrufen ist, hat der Kunde 30 Tage Zeit, den Sollsaldo auszugleichen. Die meisten Kunden werden es kaum schaffen, in dieser Zeit eine neue Finanzierung auszahlungsreif hinzubekommen und genügend Cash auf dem Konto haben noch weniger, um den Restbetrag zu tilgen. Dies liegt aber nicht in der Verantwortung des Anwalts.

Und wer ganz vorsichtig sein möchte, fragt erst nach einer neuen Finanzierung und widerruft dann den alten Kreditvertrag. Nur leider werden solche Widerrufe nicht taggleich bestätigt. Vielmehr wird abgewiegelt und natürlich erst einmal abgelehnt, da „die Situation in diesem Fall natürlich eine völlig andere sei…“
Wer ein neues Darlehen beantragt, muss jedoch innerhalb von 7 oder 10 Tagen den Vertrag unterschrieben zurücksenden und ist an den neuen Vertrag gebunden. In der Regel fallen nach 6 Monaten für den noch nicht abgerufenen Teil Bereitstellungszinsen von 3% pro Jahr an, und abgerufen werden kann das Darlehen erst mit der Tilgung des Altdarlehens.
Inzwischen finanzieren einige Banken keine Darlehen mehr, wenn diese umgeschuldet werden sollen, wenn diese durch einen Widerruf freigeworden sind. Die Welt hat hier am 29.8.2014 einen spannenden Artikel veröffentlicht.

Viele Banken lassen sich verklagen und gehen dann auch noch in Berufung. Dies vermutlich mit dem Hintergedanken, dass die Kunden häufig für dieses Thema keine Rechtsschutzversicherung haben und kaum selber ins Kostenrisiko gehen können.

Fazit: Recht haben und Recht bekommen sind zwei sehr unterschiedliche Themen und man sollte vorher einmal ganz genau die Zinsdifferenz ausrechnen und prüfen, ob es sich lohnt hier einen solch großen Aufwand zu betreiben und ins Risiko zu gehen.

Ihr
Wolfgang Ruch

Nachtrag 17.2.2016:  Die Bankenlobby hat es mal wieder geschafft. Da die Rechtsprechung eindeutig wurde, obwohl die Banken sich mit Händen und Füßen gegen das Widerrufsrecht wehren, wurde eben durch die Lobbyisten das Gesetz geändert… Am 27.1.2016 hat das Bundeskabinett ein Gesetz erlassen, welches am 21.3.2016 in Kraft tritt. Ab diesen Termin hat man noch 3 Monate Zeit, das Widerrufsrecht auszuüben, sonst ist es verjährt…

Nachtrag 21.4.2016: Den Banken muss wirklich bei der Vielzahl der Fälle der „Arsch auf Grundeis gehen“. Laut Handelsblatt vom heutigen Tage sind einige Banken dazu übergegangen, die Kunden, die einen Widerruf außergerichtlich geltend machen zu verklagen. Richtig: Die Banken verklagen die Kunden. Man nennt das negative Feststellungsklage. Dadurch soll geklärt werden, dass die Kunden kein Widerrufsrecht haben. Das Ziel ist ganz klar Abschreckung…

Nachtrag 24.4.2020: Erst hat am 26.3.2020 der Europäische Gerichtshof eine positive Entscheidung für Verbraucher verkündet, dann hat der BGH bereits am 31.3.2020 mit 2 Entscheidungen die Entscheidung des EuGH fats vollständig kassiert.  Mehr dazu in diesem Blogbeitrag.

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